Der „Wiener“ Krapfen
von Johanna Fischer-Wellenborn
Die Entstehungsgeschichte des klassischen Krapfens
Krapfen sind Backwaren, die aus Germteig geformt und in heißem Fett herausgebacken werden. Bereits im Alten Ägypten soll es krapfenähnliches Gebäck in Form von Fruchtbarkeitssymbolen gegeben haben. Eine Darstellung aus der Zeit von Pharao Ramses III. (ca. 1200 vor Christus) zeigt zwei Personen beim Backen eines Fettgebäcks und man hat auch krapfenartigen Kuchen als Grabbeigaben gefunden.
Die Römer stellten später sogenannte „Globuli“ (Kügelchen) her, die mit Honig und Mohn gesüßt wurden. Im Buch „De agri cultura“ („Über die Landwirtschaft“) beschreibt Marcus Porcius Cato der Ältere (gestorben 149 vor Christus) deren Herstellung. Die Römer dürften dieses Gebäck über die Alpen an den Donaulimes zum damaligen Militärlager Vindobona, das sich in einem Teil des heutigen ersten Bezirks von Wien befand, gebracht haben.
Bereits im 9. Jahrhundert war in Wien ein „krapfo“ bekannt und in mittelalterlichen Kochbüchern wird dessen Zubereitung beschrieben, wobei sowohl süße als auch salzige Varianten erwähnt werden. Die althochdeutsche Bezeichnung „chrapho“, beziehungsweise das mittelhochdeutsche Wort „kräpfe“ heißt so viel wie Haken oder Kralle und bezieht sich wohl auf die ursprünglich hakenartige Form des Gebäcks.
Man glaubte, dass dieses während der kalten Jahreszeit vor bösen Geistern schütze. Hergestellt wurden die Krapfen damals von „Krapfenpacherinnen“ (Krapfenbäckerinnen) in den Schmalzkochereien. Angeblich soll das eine oder andere der „süßen Madln“ auch sein Hinterzimmer für galante Abenteuer vermietet haben, weshalb der Ruf der „Krapfenpacherinnen“ nicht immer der beste war. In einer Kochordnung der Stadt Wien aus dem Jahr 1486 wird genau beschrieben, wie Krapfen hergestellt werden sollten.
Am Hof Kaiser Karls VI. (1685 bis 1740) wurden zahlreiche „Faschings“- bzw. „Krapfenschießen“ veranstaltet, ein Scheibenschießen mittels Gewehrs, das meist im Lustgarten auf der Wiener Burgbastei hinter dem Leopoldinischen Trakt stattfand. Im 18. und 19. Jahrhundert waren Krapfen sehr beliebt und wurden in großer Zahl verspeist. So wurden 1815 während des Wiener Kongresses auf diversen Hofbällen und Empfängen etwa 10 Millionen davon verzehrt und 1854 soll es in Wien ein Krapfenwettessen gegeben haben, bei dem es zwei Studenten gelang, je 30 Stück zu verspeisen.
Krapfen galten damals als Besonderheit und waren beliebte Geschenke, über die sich jeder freute, weshalb man im Volksmund noch heute sagt: „Er lacht, als wenn er Krapfen im Sack hätte.“ Der Sage nach soll ein Handwerksbursch im sogenannten „Krapfenwaldl“ dem Teufel für eine Schüssel Krapfen sogar seine Seele verkauft haben! Beim „Krapfenwald“ handelt es sich um ein Waldstück im heutigen 19. Wiener Gemeindebezirk, dessen Name allerdings auf seinen einstigen Besitzer Franz Josef Krapf zurückgeht.
Dennoch hat es aber etwas mit Krapfen zu tun – doch dazu noch einmal etwas später. Das Wäldchen war von Anfang an ein beliebtes Ausflugsziel und Johann Strauß Sohn (1825 bis 1899) komponierte 1869 sogar ein Polka, die später den Titel „Im Krapfenwaldl“ erhielt. Übrigens galt in Wien im 19. Jahrhunderts das Teilen eines Krapfens mitunter sogar als Zeichen der Verlobung!
Traditionell werden Krapfen vor allem während der Faschingszeit vermehrt verspeist. Das liegt auch daran, dass früher die Geistlichkeit dem einfachen Volk riet, vor Beginn der Fastenzeit die nährstoffreichen Krapfen zu essen, damit auch Arme und Kinder gut durch die Wochen bis Ostern kämen. Dass der runde Krapfen mit Marmelade gefüllt wird, geht vermutlich auf die Barockzeit, in der die Verwendung von Konfitüre überaus beliebt war, zurück.
Gemäß dem österreichischen Lebensmittelbuch werden Faschingskrapfen mit Marillenmarmelade gefüllt. Alle anderen Füllungen wie etwa Vanillecreme, Nougat, Powidl („Bojars-Krapfen“), Erdbeer- oder Himbeermarmelade müssen extra ausgewiesen werden. Der klassische Faschingskrapfen muss rund und von einem hellen Streifen, dem „Ranftl“ umzogen sein. Der Teig soll außen knusprig und innen flaumig-weich sein. Er wird nicht mit Zuckerglasur sondern mit Staubzucker bestreut angeboten.
Der Krapfen in den ländlichen Regionen
In der bäuerlichen Küche werden eine Vielzahl an verschiedenen Krapfenformen („Bauernkrapfen“) zubereitet, von flach bis länglich oder gekrümmt, süß oder auch mit Fleisch, Kraut, Spinat, Fisch, Obst oder Nüssen gefüllt, warm oder kalt serviert. Der „Knieküchle“ (auch „Kiachl“ oder „Auszogne“) beispielsweise wird so geformt, dass der Teig in der Mitte ganz dünn ist und von einem dicken Rand umgeben wird. Angeblich sollen die fränkischen Bäckerinnen früher den Teig über ihrem Knie so dünn auszogen haben, sodass man durch die Mitte hindurch einen Liebesbrief lesen konnte.
Krapfen sind in den ländlichen Regionen vor allem eine brauchtumsbezogene Speise und werden nicht nur zur Faschingszeit, sondern auch an zahlreichen anderen Festtagen, am Ende der Erntezeit oder zu Hochzeiten gegessen. Mit dem Backen und Essen von Krapfen gehen viele verschieden Bräuche einher. So gab es etwa im Burgenland am Aschermittwoch das sogenannte „Faschingsjagen“.
Dabei zogen junge Männer von Haus zu Haus um Faschingskrapfen aber auch Geselchtes, Eier, Schmalz und Speck zu sammeln. Anschließend wurde der Fasching „begraben“, in dem man die zusammengetragenen Speisen gemeinsam in einem Wirtshaus verspeiste. In Deutschkreuz (Mittelburgenland) beispielsweise glaubte man, dass das Backen von Krapfen am Lichtmesstag das Wachsen von Unkraut im Getreidefeld verhinderte. In Oberösterreich wiederum gab es den Brauch, den ersten, noch ungebackenen Krapfen für die Armen Seelen ins Feuer zu werfen.
In Kals in Tirol waren zu Allerheiligen die „Krapfenschnapper“ unterwegs. Weiß gekleidete, junge Männer waren mit Fellmasken und Hüten verkleidet und trugen lange Holzstangen mit geschnitzten Tierköpfen, deren Unterkiefer beweglich waren, die sogenannten „Schnappern“. Mit diesen erzeugten die Burschen ein gleichmäßiges, rhythmisches Klappern, wofür sie von den Bewohnern mit Krapfen, Geld oder Süßigkeiten belohnt wurden. Aber nicht nur die Krapfen spielten in Zusammenhang mit den verschiedenen Bräuchen und Traditionen eine wichtige Rolle, auch dem Krapfenfett an sich schrieb man magische Kräfte zu. So bot im Zillertal in Tirol etwa das für das Herausbacken der Krapfen verwendete Schmalz Schutz vor Verhexung und im oberösterreichischen Vöcklabruck glaubte man, von der Beschaffenheit des Krapfenfetts auf das Wetter des kommenden Jahres schließen zu können.
Weitere Krapfenarten und -bezeichnungen
Neben dem klassischen Marillenkrapfen und den deftigen Bauernkrapfen existieren auch Punsch-, Schokolade-, Kaffee- oder Indianerkrapfen, die aus Brandteig oder Biskuit hergestellt und im Ofen gebacken werden. In manchen Teilen Österreichs werden auch Formen aus Nudelteig, die in Wasser gekocht werden, als Krapfen bezeichnet wie z.B. Schlick- oder Schlutzkrapferl (v.a. in Kärnten und Tirol). Weiters gibt es auch Kekse (v.a. in Ostösterreich), die als Krapferl bezeichnet werden. Prügelkrapfen entstehen, indem man Teig um einen kegelförmigen Holzprügel aufträgt und unter Drehen am offenen Feuer backt. Sie gelten in manchen österreichischen Regionen als typisches Hochzeitsessen.
In anderen Ländern existieren unterschiedliche Bezeichnungen für den klassischen Marillenkrapfen.
In England beispielsweise heißt er „Jelly Doughnut“, die Berliner nennen ihn „Pfannkuchen“, in anderen deutschen Regionen nennt man ihn „Berliner“ oder „Kräppeln“. Die Bezeichnung „Berliner“ geht auf einen namentlich nicht bekannten Berliner Zuckerbäcker zurück, der – so die Legende – um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine Teigspeise in Form von Kanonenkugeln für Soldaten Friedrich des Großen erfunden haben soll. In Frankreich sind Krapfen daher als „Boule de Berlin“ , aber als auch als „beignet viennois“ bekannt
Die Geschichte zur Entstehung des „Wiener Krapfens“
Zwischen Tuchlauben und Kohlmarkt stand einst das Peilertor, ein mittelalterlicher Torturm, der vermutlich noch auf die Römerzeit zurückging und der ursprünglich zur Verteidigung aber auch als Verbindung zur mittelalterlichen Vorstadt hinter dem Graben (im Bereich Kohlmarkt) diente. Später wurde der Turm auch vermietet und im 16. Jahrhundert sogar als Gefängnis genutzt. 1690 hatte die Mandolettibäckerin Cäcilie Krapf ihr Geschäft unter dem Torbogen des Turms. Sie soll sich eines Tages so über ihren tollpatschigen Lehrbuben (in anderen Versionen auch der Ehemann) geärgert haben, dass sie ein Stück Germteig nach ihm warf.
Dieser aber duckte sich blitzschnell… – und der Patzen Teig landete ausgerechnet in einem Topf mit kochendem Fett. Und siehe da – eine überaus deliziöse Süßspeise war erfunden! Dem „Wiener Krapfen“, der anfangs noch (nach Cäcilie Krapf) „Cillykugel“ genannt wurde, gelang es, Weltruhm zu erlangen und er wurde zum Vorbild des Faschingskrapfens. Im Laufe der Zeit machten die Krapfs ein Vermögen, sodass sich ein Nachfahre der Familie später ein Stück Land am Kahlenberg kaufen konnte. Dieses ist heute noch als „Krapfenwaldl“ bekannt
Rezept
Zutaten für 10 Portionen
500 g Mehl
60 g Butter
250 ml Milch (Zimmertemperatur)
42 g Hefe
50 g Staubzucker
1 TL Salz
4 Eidotter
1 Prise Zucker
800 ml Öl zum Ausbacken
250 g Marmelade für die Fülle
Für den Germteig 100 ml lauwarme Milch, eine Prise Zucker, die Hefe und 3 EL vom Mehl verrühren. Den dickflüssigen „Vorteig“ 30 Minuten bei Zimmertemperatur aufgehen lassen.
In einer großen Schüssel die Eidotter mit dem Zucker verquirlen. Anschließend mit dem Mehl, der weichen Butter, Milch und Salz vermischen. Danach den Vorteig zufügen und zu einem glatten Teig verkneten. Abgedeckt erneut ca. 60 Minuten bei Zimmertemperatur aufgehen lassen.
Auf einer bemehlten Arbeitsfläche aus dem Teig 20 – 25 Kugeln formen, etwas flach drücken und anschließend nochmals zugedeckt rasten lassen bis die Kugeln etwa doppelt so groß sind.
Das Fett auf 170 °C erhitzen und die Krapfen auf beiden Seiten ausbacken. Wenn die Krapfen goldgelb sind, herausheben und abtropfen lassen.
Zum Schluss mit einem Spritzsack die Marmelade seitlich in die Krapfen hineinspritzen. Vor dem Servieren mit Staubzucker bestäuben
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