Die Eismeer-kathedrale in Tromsø
von Ines Stadie
Inspiriert von Eis und Schnee – Die Eismeerkathedrale in Tromsø
Die Kirche von Tromsdalen. Vermutlich haben hier nur wenige den passenden Bau vor Augen. Beim Namen „Eismeerkathedrale“ tauchen vermutlich schon Bilder im Kopf auf. Ich stelle euch heute die Eismeerkathedrale näher vor.
Hierfür reisen wir weit nach Norden, in die Stadt Tromsø. Tromsø liegt ca. 340 km nördlich des Polarkreises und ist mit knapp 77.000 Einwohnern die größte Stadt Nordnorwegens. Die Gemeinde Tromsø liegt auf mehreren Inseln und einem Festlandteil. Sie verteilt sich auf die Insel Tromsøya, dort liegt die Innenstadt von Tromsø, auf die Insel Kvaløya, weitere Inseln sowie den Festlandteil Tromsdalen. In der Stadt ist die nördlichste Universität der Welt beheimatet und die nördlichste Kathedrale der Welt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die Eismeerkathedrale, auch wenn der Name das vermuten lässt.
Die eigentliche Kathedrale von Tromsø befindet sich im Stadtzentrum und wurde im 19. Jahrhundert gebaut. Diese Holzkirche soll aber heute nicht unser Thema sein.
Wir überqueren die große Brücke und gelangen in den Stadtteil Tromsdalen.
Auf einem Hügel, nahe an der Brücke, befindet sich der Ort, an dem 1965 die Eismeerkathedrale gebaut wurde. Sie ist eine evangelisch-lutherische Pfarr- und Seemannskirche und eine der markantesten modernen Kirchen Norwegens. Wenn man mit den Stadtbussen unterwegs ist, steigt man an der Bushaltestelle „Tromsdalen kirke“ aus.
Der Kirchenbau
Elf aluminiumbeschichtete Betonpaneele in Dreiecksform lehnen sich aneinander. In der Mitte niedriger, steigen sie zu beiden Seiten auf. So entsteht die Asymmetrie, die der Kirche ihre markante Form gibt. Die Glaseinlagen zwischen den Paneelen lassen Tageslicht in den Innenraum, in den Wintermonaten erleuchtet der Kirchenraum die unmittelbare Umgebung.
Was könnten die Vorbilder für diese außergewöhnliche Struktur sein? Ein Eisberg? Ein Sami-Zelt? Ein Bootshaus? Oder das dreieckige Gestell, in dem der Fisch getrocknet wird? Architekt Jan Inge Hovig machte zu verschiedenen Gelegenheiten unterschiedliche Aussagen, wo er seine Inspiration gefunden hatte. Vielleicht ja eine Mischung aus allem?
Bereits 1955 wurde beschlossen, dass in Tromsdalen eine neue Kirche errichtet werden sollte. Sie wurde am 19. Dezember 1965 durch Bischof Monrad Norderval geweiht.
Das Wahrzeichen von Tromsø ist – wie die meisten Kirchen – geostet, das heißt, dass der Altar im Osten des Bauwerks steht. Der Haupteingang liegt im Westen.
Die Kirchenbänke, der Altarbereich und die Kanzel sind einfach gehalten und passen sich in den strengen, kühlen Innenraum ein. Die Kronleuchter erinnern an Eiszapfen und erhellen die Kirche mit stimmungsvollem Licht.
Das Ostfenstermosaik
Sowohl Ost- und Westwand bestehen aus großen Glasfassaden. Im Westen ist der Glasfassade ein großes Kreuz vorgelagert.
Das Mosaik im Osten wurde erst 1972 hinzugefügt. Ursprünglich sollte auch die Ostwand mit Standardglas gefüllt werden, wie es bei der Westwand geschehen ist. Das Mosaik an der Ostfassade ist das wohl bekannteste Werk von Victor Sparre. Mit seinen fast 140qm ist es eins der größten, monumentalsten Glasmosaike Europas. Die einzelnen Glasstücke sind 3 cm dick und erscheinen in der Morgensonne fast transparent. Wenn die Mitternachtssonne hingegen hindurch scheint, dann werden die Farben tief und intensiv. In den sonnenlosen, dunklen Monaten wirkt die Ostwand fast komplett schwarz. Dargestellt ist die Hand Gottes, von der drei Lichtstrahlen ausgehen: Einer zu Jesus, einer zu einer Frau, einer zu einem Mann.

Eismeerkathedrale, © Ines Stadie
Musik im Kirchenraum
Die 2005 eingebaute Orgel stammt von der Grönlunds Orgelgyggeri und besteht aus drei Manualen und 2940 Pfeifen. Die meisten Holzarbeiten sind aus Kiefernholz geschaffen, das Gebläse aus Rentierhaut, um einen Bezug zur nordischen Umgebung zu schaffen.
Die ca. 45-minütigen Mitternachtskonzerte in der Eismeerkathedrale entführen die ZuhörerInnen fast jeden Abend in die norwegische Musikwelt. Neben religiösen Stücken und klassischer Musik spielen die MusikerInnen traditionelle norwegische und samische Kompositionen.

Eismeerkathedrale, © Ines Stadie
Musikerinnen und Musiker variieren und so lohnt es sich durchaus mehrmals einem Konzert beizuwohnen. Jedes Mal entdeckt man neue Klänge und Stücke.
Die Mitternachtskonzerte finden sowohl im Sommer als auch im Winter statt, sodass man entweder am Ende in die Mitternachtssonne hinaustritt oder in die arktische Nacht – mit der Chance auf Nordlichter.

Kulturgeschichten Europs – Interessantes aus aller Herren Länder
Ein Buch von Thomas Stiegler

Meine französischen Kulturgeschichten –
ein Buch von Anja Weinberger
Musik, Kunst, Architektur, Genuss
Wollen Sie immer über die neuesten Aktivitäten beim Leiermann informiert werden?