Irish Coffee
von Thomas Stiegler
Irish Coffee (oder Caife Gaelach, wie er in seiner Heimat genannt wird) ist Irlands wichtigster Beitrag zur internationalen Kaffeehauskultur.
Dabei ist er im Gegensatz zu den meisten anderen Zubereitungsarten ein relativ junger Kaffee, der erst im 20. Jahrhundert erfunden wurde.
Damals war die Welt noch kleiner und ich glaube, sie hat sich auch etwas langsamer gedreht als heute. Auf jeden Fall war es noch nicht üblich, für einen kurzen Urlaub in ferne Länder zu reisen oder einfach nur so um die Welt zu jetten. Dazu waren allein schon die Entfernungen zu groß.
Aber trotzdem begann sich in dieser Zeit jenes engmaschige Netz aus Flugverbindungen zu bilden, das heute, wie von einer gefräßigen Spinne geplant, den ganzen Planeten umspannt.
Eine der ersten Verbindungen war die zwischen der Alten und der Neuen Welt, deren Bewältigung ein eigenes Erlebnis war.
Denn mehr als achtzehn Stunden saß man in der engen, zugigen Kabine eines Wasserflugzeuges und musste anschließend noch in einem Boot an Land gerudert werden.
Um wenigstens die Reisezeit zwischen den Kontinenten etwas zu verkürzen, baute man an der stürmischen Westküste Irlands den Flughafen Foynes (den Vorläufer des heutigen Shannon International Airports).
An einem stürmischen Wintertag des Jahres 1942 war es wieder einmal so weit: Eine Gruppe waghalsiger Passagiere verzichtete auf den Komfort und die Sicherheit eines Ozeandampfers und begab sich an Bord einer Maschine Richtung Amerika.
Doch nach stundenlangem Kampf gegen das Wetter musste der Pilot einsehen, dass es unsinnig war, weiterzufliegen, und so steuerte er sein Flugzeug zurück nach Foynes.
Auf der kurzen Strecke zwischen Flugzeug und Terminal, wie immer eingezwängt in ein kleines Boot, wurden die Passagiere kräftig durchgeschüttelt und klatschnass und ihr einziger Wunsch war ein trockener Ort, an dem sie sich aufwärmen konnten.
Zu ihrem Glück war an jenem Abend der junge Koch Joe Sheridan im Haus und er wollte die durchnässten Gästen, quasi als Wiedergutmachung für all die Aufregung, mit einer irischen Spezialität verwöhnen.
Er erinnerte sich an die Tage seiner Kindheit, als die Männer seines Dorfes, halb erfroren nach ihrer Arbeit auf den Fischerbooten, ihren Tee mit einem kräftigen Schuss Whiskey versetzten, um so ihre Lebensgeister zu wecken.
Da er jedoch von den Vorlieben seiner amerikanischen Gäste wusste, kochte er anstatt des Tees einen starken Kaffee, gab reichlich Zucker dazu und goss zum Schluss noch einen ordentlichen Schuss Whiskey in das Glas.
Dann krönte er das Ganze mit einer Haube aus Schlagsahne und servierte es seinen Gästen.
Diese waren, nach anfänglicher Skepsis, hellauf begeistert und rätselten, was es mit dem Getränk wohl auf sich hatte. Endlich nahm sich einer von ihnen ein Herz, trat an den jungen Koch heran und fragte, „Is this Brazilian coffee?“
Worauf Joe Sheridan schlagfertig antwortete: „No, that’s Irish Coffee.“
Womit der Caife Gaelach geboren war.
International bekannt sollte das Getränk jedoch erst ein Jahrzehnt später werden.
Es war der bekannte Reiseschriftsteller Stanton Delaplane, der 1952 einen Zwischenstopp auf dem nunmehrigen Shannon Airport einlegte und dort, neugierig geworden durch den unbekannten Namen, einen Irish Coffee bestellte.
Begeistert davon telefonierte er nach seiner Landung in San Francisco sofort mit seinem Freund Jack Koeppler, dem Besitzer des Cafés Buena Vista, und gemeinsam versuchten sie, diesen Kaffee nachzukochen.
Aber vergeblich.
Was sie auch versuchten, immer wieder musste Delaplane frustriert den Kopf schütteln und zugeben: „No, that´s not an Irish Coffee.“
So machte sich Jack Koeppler schließlich selbst auf den Weg, um Joe Sheridan um das Originalrezept zu bitten. Was ihm dieser auch prompt gab!
Dadurch galt auch lange Zeit das „Café Buena Vista“ als Ursprungsort des Irish Coffee, bis Koeppler selbst diesen Irrtum aufklärte und wir heute die wahre Geschichte kennen.
Das Originalrezept des Irish Coffee:
Zwei Teelöffel Zucker werden in einem speziellen, hitzebeständigen Irish-Coffee-Glas über offener Flamme karamellisiert, dann 3–4 cl Irish Whiskey zugefügt und das Ganze noch einmal erwärmt.
Mit einem frischen, möglichst starken Kaffee aufgießen und anschließend halb aufgeschlagene Sahne über einen Löffel gießen, damit diese langsam in die Tasse fließt und sich nicht mit dem Kaffee vermischt.
Eine etwas einfachere Variante (und das heutige Standardrezept, wie es auch im Buena Vista verwendet wird) ist folgendes:
Zuerst wärmt man ein Glas mit heißem Wasser, leert es aus und füllt es zu drei Viertel mit frisch gebrühtem Kaffee.
Dann gibt man zwei Würfel Zucker, einen guten Schuss irischen Whiskeys und eine Schicht halb geschlagener Sahne in den Kaffee
Wichtig ist, dass man den Irish Coffee (ohne umzurühren!) durch die Sahne hindurch trinkt.
Angeblich macht es auch einen Unterschied, ob man weißen oder braunen Zucker verwendet.
Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber Liebhaber behaupten, dass der braune Zucker das Getränk kräftiger und intensiver im Geschmack macht.
Wobei man sich hingegen einig ist, das ist die Auswahl des Whiskeys. Meist wird Tullamore Dew verwendet (er ist auch heute noch das Standardgetränk im Buena Vista), denn mit seiner besonderen Milde und Weichheit scheint er die perfekte Ergänzung für diesen Kaffee zu sein, der einem die Seele wärmt und fähig ist, die eigenen Lebensgeister wieder zu wecken.
Und das nicht nur an einem kalten Tag in Irland.
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