Die Marseillaise

von Anja Weinberger

Es gibt Nationalhymnen, die vergesse ich sofort wieder, kaum habe ich sie gehört.

Natürlich gibt es auch sehr schöne Nationalhymnen, wie zum Beispiel die deutsche oder auch die österreichische, die italienische und die tschechische.

Es gibt Nationalhymnen, die kann man noch aus Schulzeiten auswendig, obwohl es nicht die eigenen sind; das sind bei vielen vermutlich – genau wie bei mir – die englische und die amerikanische Hymne.

Eine etwas eigenartige Ausnahmesituation besteht in Bayern: Denn wir Schulkinder hier lernten auch noch die Bayern-Hymne, die wir viel lieber schmetterten, als das in unseren Augen langweilige Deutschland-Lied.

Und dann gibt es die Marseillaise!

Die Marseillaise ist mehr als nur die Nationalhymne Frankreichs, die Marseillaise ist einfach »ganz große Oper«.

Der Text spricht den Hörer direkt an und die Melodie ist ein Ohrwurm. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Textverteilung gut zur Melodie passt und man deshalb leicht mitsingen kann? Bei manch anderer Hymne stimmt das eine oder andere in dieser Hinsicht gar nicht. Und: Spätestens beim Singen wird man hochgradig euphorisiert. Der Komponist hat einfach ganze Arbeit geleistet.

Doch woher stammt die Marseillaise eigentlich?

 

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Der französische Komponist, Dichter und Offizier Claude Joseph Rouget de Lisle (1760-1836) war seit 1791 in Straßburg stationiert.

Nota bene: Zu dieser Zeit liegt der Beginn der französischen Revolution im Jahre 1789 noch nicht lange zurück. Frankreich befindet sich in einer kritischen Lage. König Ludwig XVI. versuchte, seine Macht wieder zu erlangen und stiftete einige europäische Fürstenhäuser zum Angriff auf Frankreich an. Von außen und innen unübersichtlich!

Wichtig für unser Thema ist jedoch nur, dass in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1792, während der Kriegserklärung an Österreich, Rouget de Lisle innerhalb weniger Stunden das Lied schrieb, das er zunächst »Chant de guerre pour l’armée du Rhin«, also »Kriegslied für die Rheinarmee« nannte. Er widmete es dem Oberbefehlshaber über die Rheinarmee und Gouverneur von Straßburg, Johann Nikolaus Graf Luckner, der auch Marschall von Frankreich war.

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Eine nette Anekdote am Rande: Graf Luckner wurde 1722 in Cham in der Oberpfalz geboren. Er war also deutscher Offizier in französischen Diensten. Ihm zu Ehren wird die Marseillaise bis heute täglich um 12.05 Uhr vom Glockenspiel auf dem Marktplatz in Cham intoniert. Nachmittags um 17 Uhr spielt dasselbe Glockenspiel das Bayernlied.

Weniger nett Luckners Ende: Während der »Schreckensherrschaft« im Zuge der französischen Revolution wurde er zu Unrecht denunziert, verhaftet und am 4. Januar 1794 nach nur kurzer Beratung des Revolutionstribunals guillotiniert. Dass er bereits ein Jahr später rehabilitiert wurde, ist nur ein kleiner Trost für seine Familie und für die Geschichtsschreibung.

 

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Die neue Komposition, bei der sowohl Text als auch Musik von Claude Joseph Rouget de Lisle stammten, wurde am 29. April 1792, also nur wenige Tage nach Fertigstellung, durch die Garde nationale öffentlich uraufgeführt.

Als am 30. Juli 1792 Soldaten aus Marseille beim Einzug in Paris dieses Lied anstimmten, hatte es seinen Namen gefunden. Die Hymne erfreute sich allergrößter Beliebtheit und fand auch schnell Liebhaber in Revolutionskreisen. Schon 1793 wurde verfügt, sie auf allen öffentlichen Veranstaltungen zu singen und am 14. Juli (wann sonst?) 1795 wurde sie per Dekret zum »französischen Nationalgesang« erklärt. Genau sechs Jahre zuvor, am 14. Juli 1789 hatte der Sturm auf die Bastille stattgefunden, der die Französische Revolution initiierte. Seitdem ist dieser Tag, der 14. Juli, französischer Nationalfeiertag.

Das erste Leben der Marseillaise währte nur kurz, denn im napoleonischen Kaiserreich, das von 1804 bis 1814 dauerte, war sie verboten.

Erst in der Dritten Französischen Republik wurde die Marseillaise wieder offizielle Nationalhymne; beschlossen wurde das 1879. Und sie blieb es, nicht ganz unangefochten zur Zeit des Vichy-Regimes, bis heute.

Das Buch, aus dem auch dieser Text stammt: Meine französischen Kulturgeschichten – von Anja Weinberger!

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