Die Virtuosen
von Thomas Siemens
„Er ist ein Virtuose in der Küche“. So etwas oder ähnliches haben wir vielleicht schonmal gehört, wenn von jemandem die besonderen Fähigkeiten als Koch herausgestellt wurden. Der Begriff „Virtuose“ ist uns bekannt. Aber wo kommt er eigentlich her?
Das Wort kommt vom Lateinischen „virtuos“ was so viel wie „Tüchtigkeit“ oder „Tugend“ bedeutet. Als Virtuose wird jemand bezeichnet, der etwas besonders gut oder oder auf hohem Niveau kann. Virtuos ist also etwas, was besonders kompliziert oder beeindruckend ist.
Jedes Musikinstrument hatte und hat Virtuosen und zu fast allen Zeiten gab es Instrumentalisten, die man als solche bezeichnen konnte, Instrumentalisten, die für ihre herausragenden Fähigkeiten auf ihrem Instrument bekannt waren.
Trotzdem kann das 19. Jahrhundert in besonderem Maße als Zeitalter der Virtuosen bezeichnet werden. Hier waren die perfekten Bedingungen gegeben, damit sich ein Schlag Musiker entfalten konnte, der sich an der Schwierigkeit seiner Kunst berauschte. Zu den Bedingungen gehörte, dass die Musiker zunehmend mehr für das Bürgertum spielten und nicht mehr für den Adel. Im Dienste des Adles bestand ihre Rolle oft darin, die Hintergrundmusik für die feine Gesellschaft zu spielen.
Deswegen durften sie nicht zu sehr im Vordergrund sein und nicht zu sehr über die Stränge schlagen. Für das Bürgertum waren die Musiker als Freiberufler unterwegs, und gaben für sie Konzerte. Da kein festes Dienstverhältnis mehr bestand war ihr Einkommen dann davon abhängig, ob sie das Publikum beeindrucken konnten. Auch ermöglichten es technische Fortschritte im Instrumentenbau über die Grenzen von dem zu gehen, was man bisher auf dem Instrument für möglich hielt.
Einige Namen aus dieser Zeit sind bis heute relativ stark im populären Gedächtnis geblieben und auch heute recht vielen Leute geläufig. Man denke hier zum Beispiel an Niccolò Paganini oder an Franz Liszt. Obwohl sie nicht in gleicher Weise bekannt geworden sind wie diese Großen hat auch die Gitarre ihre Virtuosen in dieser Zeit. Wir wollen einen Blick darauf werfen, welche Namen uns da begegnen.
Als einer der ersten und wichtigsten “richtigen” Virtuosen für die Gitarre treffen wir auf den Italiener Mauro Giuliani. Er lebte von 1771 bis 1829 und war einer der ersten, der vor allem durch seine technischen Fähigkeiten von sich reden machte. Giuliani verbrachte die meiste Zeit seines künstlerischen Schaffens in Wien. Hier hatte er auch persönliche Berührungspunkte mit Ludwig van Beethoven. Passend zu Wien finden sich in dem Kompositionsstil von Giuliani eine große Ähnlichkeit zu anderen Wiener Virtuosen wie Ignaz Moscheles und Carl Czerny. Seine Werke sind gefüllt mit schnellen oktav und sext-Läufen und, virtuosen Akkordzerlegungen und kadenzartigen Einschnitten. Besonders bekannt sind seine 6 Rossinianen. Großangelegte Fantasien, die Themen aus Rossini-Opern verarbeiten. Damit trug er seinen Teil zum allgemeinen “Rossini-Fieber” seiner Zeit bei.
Luigi Legnani war wie Giuliani italiener und eine weitere große Gitarren Persönlichkeit. Er wurde 1790 geboren und lebte bis 1877. Im vergleich zu Giuliani ist er heute viel weniger bekannt und im Konzertleben präsent, obwohl von ihm nicht wenige Werke erhalten sind. Ein Grund dafür mag sein, dass viele seiner Werke den Interpreten vor wirklich enorme technische Herausforderungen stellen. Gut möglich, dass viele seiner Werke auch heutigen Gitarristen schlicht und ergreifend zu schwer sind. Ironischerweise haben sich nur zwei seiner Werke im heutigen Repertoire etabliert.
Das eine sind seine 36 Capriccen op. 20. Diese sind zwar teils technisch beeindruckend, aber von ihrem Charakter doch eher als Übungsstücke zu werten denn als Konzertwerk. Das andere Werk ist seine Fantasie Op. 19. Dieses Werk gilt heute als technisch anspruchsvoll, ist allerdings von Legnani selber mit dem Untertitel “brillante et facile”, also “brillant und einfach” versehen. Seine Einschätzung der Schwierigkeit der Fantasie op. 19 mag also vielleicht abweichen von der heutiger Gitarristen. Zu seiner Zeit war Luigi Legnani ein bekannter und respektierter Name. Er war auch mit Paganini bekannt und wurde von diesem hoch geschätzt.
Ein letzter Name, den wir in den Blick nehmen wollen ist Giulio Regondi. Er lebte von 1832 bis 1872 und ist vielleicht der einzige Gitarrist aus dem “Zeitalter der Virtuosen”, der dem Stereotyp des Wunderkinds entspricht. Er wurde als Kind von seinem Vater zum stundenlangen Üben veranlasst, so dass er seine ersten Auftritte schon mit 5 Jahren absolvierte. Mit 7 Jahren trat er zusammen mit Niccolo Paganini und Franz Liszt auf. Auch hierin dem Stereotyps des Wunderkinds entsprechend starb er verhältnismäßig jung mit 49 Jahren.
Von Giulio Regondi sind nicht viele Werke erhalten. Aber die die er hinterlassen hat zeichnen sich durch höchste musikalische Qualität und eine enorme technische Schwierigkeit aus. Zu nenne ist hier zum Beispiel die “Introductione et caprice Op. 23”. Während Giulianis Musik noch eine recht große Nähe zur Wiener Klassik aufweist und Legnanis große Nähe zur italiänsichen Oper hat ist Regondis Musik in vollstem Sinne romantisch. Seine Werke entsprechen am ehesten dem, was Liszt und Chopin für das Klavier geschaffen haben.
Auch wenn es bestimmt weitere Gitarristen gäbe, die man in diesem Zusammenhang nennen könnte sind Mauro Giuliani, Luigi Legnani und Giulio Regondi die vielleicht größten Gitarrenvirtuosen. Ihre Musik vermag es noch heute, die Musiker zum Verzweifeln und das Publikum zum Staunen zu bringen und bereichert so das Repertoire
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