Erzherzogin Sophie: Böse Gegenspielerin in Sisis Lebensdrama? (Teil 2)

 

 

 

 

 

von Julia Meister

Teil 2: Die Kaisermutter

Wir schreiben das Jahr 1830: Als Mutter des kleinen Franz Joseph, der schon als Säugling angesichts des als – oftmals zu Unrecht – geistesschwach geltenden Kronprinzen Ferdinand beachtliche Chancen auf den Thron hat, kann Sophie aufatmen. Was stand einer glänzenden Zukunft als Kaisermutter nun noch im Wege?

Ludwig Angerer (Fotograf), Erzherzogin Sophie von Österreich (1805-1872), um 1860, Wien Museum Inv.-Nr. 133447/7, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/608958/)

Die simple Antwort: Eine Hochzeit! Nämlich jene des Kronprinzen Ferdinands mit Maria Anna von Savoyen. Diese Eheschließung stellte für ihn eine glückliche Partie dar, denn mit seiner Angetrauten hatte er eine pflichtergebene, loyale Partnerin gefunden, die ihm bis an sein noch weit entferntes Lebensende eine wichtige Stütze sein würde. Unsere Protagonistin Sophie hingegen wurde durch die Ehe des Kronprinzen jäh vom gerade zäh erklommenen Podest geworfen, gab es doch nun eine Kronprinzen-Gemahlin, und zudem die zwar sehr unwahrscheinliche, aber trotz alledem bestehende Chance auf Ferdinandschen Nachwuchs.

Typisch Sophie, wusste sie sich auch an dieser Stelle ihres Lebens zu helfen: Fortan setzte sie die Franz-Joseph-Marketingmaschinerie in Gang, und spazierte so oft wie möglich mit ihrem kleinen Sohn durch den öffentlich zugänglichen Schönbrunner Park, und gab bei der Hofmalerschaft Portraits von sich und ihrem Erstgeborenen in Auftrag.

Heinrich (Wilhelm) Schlesinger (lithographer), Johann Höfelich (Printer), Anton Berka (publisher), „MARIA ANNA CAROLINA, Kaiserin von Oesterreich, Königin von Ungarn und Böhmen etc. etc. etc.“, around 1850, Sammlung Wien Museum, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/en/object/383804/)

Als Sophie erfuhr, dass Ferdinand seinen ehelichen Pflichten mehr schlecht als recht nachging, fasste sie neuen Mut für die Zukunft Franz Josephs. Der Kleine war omnipräsent, und sie überschüttete ihn mit Liebe. Die junge Mutter hatte bereits etliche Fehlgeburten hinter sich, und so wunderte es nicht, dass sie in ihm alle guten Tugenden vereint sah, die ein Säugling haben konnte. Es wäre überaus falsch, zu sagen, sie hätte Franz Joseph nur benutzt, um sich selbst darzustellen – da waren auch ganz viel Stolz und Mutterliebe im Spiel, die Sophie am liebsten mit der ganzen Welt teilen wollte. Ein immenser Vorteil Sophies war, wie Sabine Fellner und Katrin Unterreiner konstatieren, ihr Status als Erzherzogin: Genau weil sie eben nicht Kaiserin war, konnte Sophie eine so liebevolle und aufopfernde Mutter sein, da sie eben nicht nur für die kaiserliche Repräsentation lebte. Übrigens war auch Franz Karl ein äußerst hingebungsvoller Vater, der seinen Sohn, auf den er so viele Jahre hatte warten müssen, über alle Maßen liebte.

Aufgrund einer sich nicht einstellen wollenden weiteren erfolgreichen Schwangerschaft reiste Sophie 1831 samt des kleinen Franz Joseph nach Bad Ischl. Im Juli 1832 brachte sie dann den zweiten Sohn, Ferdinand  Maximilian, in Schönbrunn zur Welt. Bad Ischl schien der Erzherzogin wahrlich ein Segen gewesen zu sein! Später folgten noch die Söhne Karl Ludwig und Ludwig Viktor; das im Oktober 1835 zur Welt gekommene Mädchen, Maria Anna Karolina, verstarb leider im Alter von vier Jahren an einem epileptischen Krampf. Ein weiterer Schlag für Sophie, deren Schwangerschaft mit Maria Anna die bereits neunte innerhalb von zehn Jahren war.

Sophie verfolgte mit Interesse das politische Zeitgeschehen, und reagierte zunehmend gereizt auf Metternichs Einfluss auf Ferdinand, der nach dem Tod seines Vaters Franz II./I. den Thron bestiegen hatte. Und das, obwohl Sophie und Metternich beide den Franzosen nicht wohlgesonnen waren! Überhaupt hatten Sophie und Metternich ein ambivalentes Verhältnis zueinander: Neben der soeben erwähnten Abneigung gegenüber den Franzosen sahen beide die Ungarn als rebellisches Volk an, welches man unbedingt bändigen müsse. Ganz so konservativ wie Metternich war Sophie aber doch nicht, sie war für manch liberale Idee durchaus offen. Metternichs Art, den Staat zu führen, gefährde die Monarchie – so Sophie im Jahre 1848, dem Schicksalsjahr, auf das wir später noch einmal zurückkommen werden.

Franz Eybl (Lithograf), Franz Wiehl (Künstler), Johann Rauh (Drucker), „FÜRST von METTERNICH HAUS-HOF UND STAATS-KANZLER.“, vor 1859, Wien Museum Inv.-Nr. W 4444, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/445180/)

Als ihr Ehemann Franz Karl ab April 1836 Teil der Geheimen Staatskonferenz wurde, nahm Sophie dies mit Freude zur Kenntnis. Die beiden übernahmen häufig diverse offizielle Auftritte, die der Kaiser aus gesundheitlichen Gründen nicht absolvieren konnte. Mit ihrer späteren Schwiegertochter Elisabeth hatte sie damals eines gemein: Auch Sophie konnte den schier nicht enden wollenden habsburgischen Zeremonien nichts abgewinnen, langweilten diese sie doch zu Tode – wie auch die Krönung Ferdinands zum König von Böhmen im Jahre 1835.

 

Die Erziehung ihrer Söhne und insbesondere jene Franz Josephs war für Erzherzogin Sophie ein Herzensanliegen, und so müssen wir stets im Blick behalten, dass sie für ihren Sohn und den Fortbestand der Dynastie nur das Beste im Sinn hatte, als sie den erzkonservativen, monarchietreuen Graf Heinrich Bombelles mit der geistigen Erziehung Franz Josephs betraute. Mit gerade einmal sechs Jahren erhielt ihr Erstgeborener dreizehn Stunden Unterricht; ein Jahr später hatte sich diese Summe auf stattliche 32 Wochenstunden emporgeschwungen. Neben den Sprachen der Monarchie lernte Franz Joseph Geographie, Mathematik, Religion, Tanzen, Fechten… Die Liste mit Fächern scheint endlos lang. Ungewöhnlich ist, dass Sophie die Unterrichtsstunden in Geschichte und Religion höchstpersönlich überwachte, da diese für sie von besonderem Gewicht waren.

Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück, ins Jahr 1832: Im Juli des Jahres starb der Herzog von Reichstadt, Napoleons Sohn mit Marie Louise, der Tochter Kaisers Franz II./I., und der Mann, der der jungen Wittelsbacherin seit jeher so schwärmerisch zugetan war. Er hatte es gerade einmal auf 21 Jahre gebracht, was seiner zarten Konstitution und letztendlich der an seinem Körper zehrenden Tuberkulose zuzuschreiben ist. Der Herzog überanstrengte sich bei seinen militärischen Übungen, und hoffte, sich durch Eisbaden abhärten zu können. All dies, kombiniert mit seiner Vorliebe für das Wiener Nachtleben, führte zu einem jähen, von Außenstehenden sicherlich vorhergesehenem Ende.

Oscar Kramer (Fotograf), Erzherzog Franz Karl (1802-1878), vor 1878, Wien Museum Inv.-Nr. 90994, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/573773/)

Sophie war es, die den jungen Mann überredete, die Sterbesakramente zu empfangen – zu diesem Zeitpunkt war Reichstadt extrem geschwächt, verbrachte seine Zeit Blut und Eiter hustend im Bett und wurde von extremen Schmerzen in der Lunge geplagt. Wieder einmal setzte der Hof auf Sophies Charakterstärke, ihren Charme und ihr Einfühlungsvermögen. Der Tod des Herzogs ging ihr überaus nahe, waren die beiden einander doch insbesondere über ihre gemeinsamen künstlerischen Interessen zugetan – ein Aspekt, den Sophie in ihrer Ehe mit dem eher simpel gestrickten Franz Karl sicherlich vermisste. Nun war diese Seelenfreundschaft durch den Tod des Herzogs frühzeitig beendet worden.

Doch Sophie wäre nicht Sophie, wenn sie nicht immer wieder auf die Beine gekommen wäre: Wachte sie nicht über der kaiserlichen Familie, so empfing sie hoffähige Gäste zu Konzerten und Abendessen, oder besuchte sowohl das höfische Theater als auch die Oper. Auf diese Weise holte sie sich den Kulturgenuss, den das Eheleben mit Franz Karl ihr nicht bieten konnte. Wir stellen wieder einmal fest: Stellte Sophie eine (kulturelle) Lücke fest, so füllte sie diese auf eigene Faust, statt über ihr Schicksal an der Seite eines für diese Dinge nichts übrig habenden Mannes zu jammern. Fühlen wir uns hier nicht ein klein wenig an Kaiserin Elisabeth erinnert?

Die nächste große Zäsur in Sophies Lebens stellte die Revolution von 1848 dar. Dazu müssen wir ein wenig weiter ausholen, um die Zusammenhänge nachvollziehbar zu machen: Mit der Industrialisierung der 1840er Jahre gingen extrem lange Arbeitstage einher, Männer, Frauen und auch Kinder arbeiteten für einen Hungerlohn bis zu 97 (!) Stunden pro Woche, so Anna Ehrlich und Christa Bauer. Schlechte Ernten und ein daraus resultierender Mangel an Lebensmitteln schürten die Wut des arbeitenden Volkes, das sich durch zunehmende Kriminalität und Aufstände Luft machte. Wie schon beschrieben, stand Sophie, wie sonst oft behauptet, liberalen Änderungen des Staatswesens sowie einer konstitutionellen Verfassung nicht völlig konträr gegenüber. Sie versuchte, innerhalb des morsch gewordenen Staatsapparates etwas zu bewegen, und machte es sich bereits 1847 zum Ziel, Franz Joseph für großjährig erklären zu lassen. Metternich lehnte dies vehement ab, was Sophie aufhorchen ließ. Da Kaiser Ferdinand allgemein als geistesschwach galt, und auch Franz Karl nicht viel besser dastand, ging das Volk davon aus, dass Metternich und Sophie, gemeinsam mit Ferdinands Gemahlin Maria Anna, die Zügel fest in der Hand hielten. Eine politische Einflussnahme von Frauen passte natürlich nicht ins Biedermeier-Bild der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, welches Damen am liebsten stickend oder mit den Kindern spielend im eigenen Heim verortete.

 

Die Stimmung gegen Metternich war im März 1848 jedenfalls am Kochen, er erhielt Drohbriefe, auf Plakaten wurde zur Befreiung Kaiser Ferdinands aus Metternichs Fängen aufgerufen. Sophie wusste, dass hier nur ein Kaiserwechsel half! Doch noch war Ferdinand nicht dazu bereit, auf Amt und Würden zu verzichten. Die Ereignisse überschlugen sich: Am 12. März forderte eine Studierendenversammlung in der Aula der Universität nach größeren Mitbestimmungsrechten des Volkes in Bezug auf sämtliche staatliche Belange. Metternich und sein Staatsrat wollten darauf nicht eingehen, und es kam letztendlich am Folgetag zum Ausbruch der Revolution. Bis in den Oktober hinein gab es immer wieder blutige Aufstände, bis die revolutionären Ausschreitungen schließlich ihren traurigen Höhepunkt in der öffentlichen Tötung des Kriegsministers Theodor Baillet de Latour und der Zuschaustellung seines Leichnams an einer Laterne in der Wiener Innenstadt fanden.

Joseph Albrecht (Lithograf), „Scene am 13ten März 1848 beim Landhause in Wien“, 1848, Wien Museum Inv.-Nr. 20107, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/1375/)

Noch im Mai desselben Jahres hatte sich die kaiserliche Familie nach Innsbruck begeben, von wo aus Kaiser Ferdinand nun regierte. Das kaisertreue Tirol schien der ideale Zufluchtsort für die sich in Wien zunehmend bedroht fühlende Kaiserfamilie. Gemeinsam mit Maria Anna und Erzherzog Johann schmiedete Sophie nun Pläne zur Thronbesteigung Franz Josephs, welcher im August 1848 seinen 18. Geburtstag feiern würde. Sophie war durch die extremen Aufstände in Wien nun von ihren einst gehegten liberalen Gedanken abgekommen: Das Volk musste vom Herrscher mit fester Hand geführt werden, um derlei Ausbrüche in Zukunft zu vermeiden!

 Nach einer kurzen Rückkehr ins heimatliche Schönbrunn ging es für Sophie und ihre Familie nach Olmütz. Eine Frage beschäftigte insbesondere die Erzherzogin sowie Kaiserin Maria Anna fortwährend: Wie könnte man Franz Karl und Kaiser Ferdinand dazu bringen, zugunsten des jungen Franz Joseph abzudanken? Gemeinsam schafften sie es doch letztendlich, die beiden Herren an den Gedanken zu gewöhnen. Sophie, die ihres Zeichens nie selbst Kaiserin geworden war, hatte für ihren Sohn die Kaiserkrone ergattert – und mit dem cleveren Schachzug, einen politisch noch unbefleckten jungen Mann auf den Thron zu setzen, die Monarchie vor einem nahenden Untergang gerettet. Die am 2. Dezember 1848 stattfindende Krönung war nicht nur ihr persönlicher Triumph, sondern auch ein weiterer dynastischer in der langen Reihe der Habsburger. Es wird Zeit, Sophie dieses Verdienst zuzuschreiben, ohne sie hämisch als skrupellose, strippenziehende Möchtegernkaiserin abzutun.

 

Franz Ruß d. Ä. (Künstler), Kaiser Franz Joseph I. in Gala-Feldmarschallsuniform, 1852, Wien Museum Inv.-Nr. 198190, CC BY 4.0, Foto: Birgit und Peter Kainz, Wien Museum (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/10670/)

Literatur und Quellen

„Die Revolution von 1848/149 [sic!] im Kaisertum Österreich.“ In: mein.Österreich.info. Online: https://www.mein-oesterreich.info/geschichte/revolution-1848.htm [28.02.2023].

Ehrlich, Anna und Christa Bauer: Erzherzogin Sophie. Die starke Frau am Wiener Hof. Franz Josephs Mutter. Sisis Schwiegermutter. Wien 2016.

Fellner, Sabine und Katrin Unterreiner: Puppenhaus und Zinnsoldat. Kindheit in der Kaiserzeit. Wien 2012.

„Karolina von Österreich“. Online: https://de.wikipedia.org/wiki/Karolina_von_%C3%96sterreich [21.02.2023].

Mutschlechner, Martin: „Sophie, die ‚heimliche Kaiserin‘.“ In: Die Welt der Habsburger. Online: https://www.habsburger.net/de/kapitel/erzherzogin-sophie-die-heimliche-kaiserin [28.02.2023].

Weissensteiner, Friedrich: Frauen um Kronprinz Rudolf. Wien 1991.

Winkelhofer, Martina: Sisis Weg. Vom Mädchen zur Frau – Kaiserin Elisabeths erste Jahre am Wiener Hof. München 2021.

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