Über: Otto Desbalmes – Aus dem Leben eines k.u.k. Hofkochs
von Julia Meister
Ingrid Haslinger: Otto Desbalmes. Aus dem Leben eines k.u.k. Hofkochs. Berndorf 2022 (Kral-Verlag).

Otto Desbalmes war u.a. der Hofkoch Franz Ferdinands und seiner Familie, © J. Meister
Der Wiener Hof: Beschäftigt man sich einmal eingehender mit diesem komplexen Geflecht aus – um es modern zu sagen – Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, so stellt man fest, dass er nur am Laufen blieb, weil ein jeder dem ihr oder ihm zugedachten Platz mit Hingabe ausfüllte. Selbstverständlich stand Franz Joseph zwischen 1848 und 1916 an erster Stelle und waltete über dem großen Ganzen, aber der Hof lebte doch vielmehr von seinen Mitarbeitern. Vom Leiblakaien über den Obersthofmeister, von der Hofdame zum Stallburschen: Ohne diese leider oft namenlos bleibenden Figuren hätten der Kaiser und seine Familie ohne Verköstigung, Sauberkeit, Sicherheit und eine feste Verwaltungsstruktur gelebt.
Otto Desbalmes, der Protagonist des hier vorliegenden Werkes von Ingrid Haslinger, hatte als Hofkoch dabei besonders viel Macht inne. Appetit und Wohlbefinden sind untrennbar miteinander verbunden, und so konnte eine besonders gute Mahlzeit im Grunde das politische Geschehen beeinflussen. Ebenso hatte das Küchenpersonal die Gesundheit des Monarchen in der Hand; es wusste um seine Vorlieben, war also, trotz des räumlichen Abstandes, ganz nah dran am royalen Geschehen.
Auf 287 Seiten begleiten wir Otto Desbalmes auf seiner Karriere vom unbezahlten Lehrling zum k.&k.-Hofkücheninspektor. Dabei erfährt man, wie man Teil der höfischen Küche wurde, mit welchen Kapriolen der obersten Herrschaften man umgehen musste, und wie stark die Arbeitszeit eines Hofkoches von Jahr zu Jahr variierte. Historische Ereignisse spicken den Weg des kulinarischen Dienstes, wie beispielsweise die schicksalhafte Reise Franz Ferdinands nach Sarajevo, auf der Desbalmes den Thronfolger begleitete.
Franz Ferdinand war es auch, der des Öfteren mit Desbalmes zankte und ihm einiges an Ärger einbrachte. Kaiserin Elisabeth hingegen wurde in Desbalmes‘ persönlichem Kochbuch mit diversen, eigens ihr zugedachten Mehlspeiserezepten bedacht. Überhaupt birgt das Buch in Bezug auf das Kaiserpaar so manche Überraschung – denn wer hätte gedacht, dass die zarte Elisabeth der Hofküche mehr zusprach als ihr kaiserlicher Gemahl?
In Haslingers exquisit recherchiertem Buch betrachten wir aus der Vogelperspektive sowohl die Vorbereitungen in der Küche als auch die Ausführung der Galadiners in den habsburgischen Räumlichkeiten, bei denen illustre Gäste in höchster Prachentfaltung aufs Fürstlichste speisten. Karlsbader Brezeln, Altwiener Reisbordüre bis hin zum Kalten Schinken à la Nostitz: Wer bei der Lektüre Appetit bekommen hat, findet in Teil 4 auf über 100 Seiten die Originalrezepte aus Desbalmes‘ Nachlass. Appetit auf historische Fakten wird hier perfekt mit lukullischen Genüssen fusioniert.

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