Die Spätantike
von Christian Schaller
Einführung in die Römische Geschichte.
Teil 3: Spätantike (284-476 bzw. 6. Jhd. nach Christus)
(Link zu Teil 1 – Teil 2)
Nach siebenhundert Jahren der Republik und dreihundert Jahren des Prinzipats begann für das Römische Reich eine neuer, aber auch letzter Abschnitt. Die klassische Geschichtsschreibung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sah in dieser Aufteilung die mustergültige Abfolge vom Aufstieg, der Blütezeit und dem Niedergang verwirklicht. Dieses Drei-Phasen-Modell war nach damaliger Auffassung das Schicksal jedes großen Reiches. Und tatsächlich deutet in dieser letzten Epoche der römischen Geschichte, die über weite Strecken mit der Zeit der Spätantike identisch ist, zunächst vieles auf den nahenden Untergang hin.
Auch nach der Überwindung der Reichskrise im dritten Jahrhundert und der Konsolidierung des Reiches gab es jede Menge Probleme – Wirtschaftskrisen, Bürgerkriege, äußere Feinde. Die Spätantike darf nicht nur als Zeit der Dekadenz und des Zerfalls gedeutet werden. Römische Macht und Pracht beherrschte nach wie vor den Mittelmeerraum und auch nach dem Fall Roms wurde das römische Erbe weitergeführt. Im Jahr 395 war das Römische Reich bereits in eine Ost- und in eine Westhälfte geteilt worden. Im östlichen Mittelmeerraum überdauerte das Oströmische und später Byzantinische Reich sogar bis 1453 fort.
Im Rahmen dieser Einführung wurde der Beginn der spätrömischen Geschichte auf das Jahr 284 festgelegt. In diesem Jahr erfolgte der Regierungsantritt des Kaisers Diokletian, der durch sein Wirken die Zeit der Soldatenkaiser und der Reichskrise endgültig beendete. Gute 150 Jahre nach den Reformen Diokletians oder auch Kaiser Konstantins des Großen um 300 nach Christus fand das Weströmische Reich im Jahr 476 durch fremdländische Eroberung ein Ende. Dieses Jahr gilt als ein traditioneller Endpunkt der Römischen oder Weströmischen Geschichte und damit verbunden auch der gesamten Epoche der Antike. Ein römischer Heerführer germanischer Herkunft namens Odoaker setzte in diesem Jahr den letzten weströmischen Kaiser, Romulus Augustulus, ab und sandte die Kaiserinsignien zum „anderen“, oströmischen Kaiser nach Konstantinopel.
Die römische Zentralmacht endete damit im Westen, nicht jedoch das römische Erbe. Römische Strukturen, Verwaltung und Kultur überdauerten noch Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte und prägten die neuen Reiche und Herrschaften, die auf dem Gebiet des untergegangenen Reiches entstanden. Eine Schlüsselrolle spielte dabei nicht zuletzt das Christentum, das bereits im vierten Jahrhundert zu einer Art Staatsreligion im noch intakten Römischen Reich aufgestiegen war.
Man kann die Spätantike in mehrere, große Blöcke einteilen. Die ersten 200 Jahre umfassen noch die Geschichte des Römischen und bald Weströmischen Reiches. Um 300 wird zunächst die Konstantinische Dynastie prägend. In diese Zeit fällt auch maßgeblich die Christianisierung der Alten Welt. Dem folgten im späteren vierten Jahrhundert die Valentinianische und dann die Theodosianische Kaiserdynastie. Theodosius der Große war ein Förderer des Christentums und veranlasste nach seinem Tod auch die Reichsteilung. Das nun entstandene Weströmische Reich ging direkt in seine Endphase über. Die Zeit der Völkerwanderung und der Hunnenstürme schwächten den Westen. Nach der Eroberung Roms begann die Herrschaft des Odoaker, die von 476 bis 493 dauerte.
Der oströmische Kaiser Zeno beauftragte den König des Ostgotenreiches, Theoderich den Großen, diese Gebiete zu einzunehmen. Dies gelang und machte Italien damit bis 526 zum Kernland des Ostgotenreiches. Das Machtvakuum nutzte wiederum der neue, oströmische Kaiser Justinian, der nun weite Teile des ehemaligen Weströmischen Reiches von seinen Generälen erobern ließ. Dies führte zwar zur kurzzeitigen Wiederherstellung des Imperium Romanum – zumindest in Teilen – verwüstete und verelendete jedoch auch weite Landstriche. Bereits 568 begann dann die Invasion des germanischen Stammes der Langobarden, die in der Folge ihr Königreich im Norden der Halbinsel etablieren konnten. Dieses Ereignis gilt als Ende der Antike in Italien und beendete die staatliche Einheit des späteren Landes für 1300 Jahre. Das Mittelalter begann.
Die Konstantinische Dynastie und der Beginn der Christianisierung
Konstantin der Große erhielt seinen Beinamen nicht von ungefähr: Wie auch immer man seine Leistungen und Taten bewerten will, in jeder Hinsicht waren sie groß und tiefgreifend. In seiner Regierungszeit von 306 bis 337 fanden wesentliche Reformen statt, die das Römische Reich erneut festigten und in seine Spätphase überführten. Dabei knüpfte er natürlich erst einmal auch an den Errungenschaften einiger seiner Vorgänger wie Aurelian oder Diokletian an. Ohnehin lässt die Geschichtswissenschaft mit dem Regierungsantritt Diokletians 284 gerne die Zeit der Spätantike und damit die letzte Epoche der antik-römischen Geschichte beginnen.
Während Aurelian (reg. 270-275) es vollbrachte, die Reichseinheit nach Jahren der Zerwürfnisse und Abspaltungen wiederherzustellen, beendete Diokletian (reg. 284-305) die Reichskrise des dritten Jahrhunderts endgültig. Mit ihm war zugleich auch die seit 235 andauernde Ära der schnell wechselnden Soldatenkaiser vorüber. Er veränderte die Verwaltung grundlegend, beispielsweise verkleinerte er die Provinzen zur effizienteren Verwaltung. Die militärische Verwaltung wurde von der zivilen getrennt und stärker zentralisiert und bürokratisiert. Zudem führte er das System der Tetrarchie ein, das kurzlebige Vier-Kaiser-System, bei dem vier verschiedene Kaiser Teile des Römischen Gesamtreiches regierten. Diokletians Idee zerbracht spätestens mit Konstantin dem Großen, der wieder die Alleinherrschaft errang.
Das Mehrkaisertum blieb im Westen allerdings bis zum Ende des Reiches 476 die Regel. Noch der Vater Konstantins des Großen, Kaiser Constantius I. (reg. 293-205/206) war zunächst nur einer von vier Caesaren innerhalb dieser Tetrarchie, die sich in dieser Zeit jedoch bereits auflöste. Sein Sohn Konstantin übernahm die Kaiserwürde 306 von seinem Vater und bereits 312 – nach der berühmten Schlacht an der Milvischen Brücke bei Rom gegen seinen Widersacher Maxentius – war er Alleinherrscher im Westen.
Bereits 324 war er dann Kaiser des gesamten Reiches. In diesem Jahr verlegte er auch seine Residenz in eine neue Stadt am Bosporus: Konstantinopel, das „Zweite Rom“ und heutige Istanbul. Während er das Reich nach innen und außen stabilisierte, leitete er zudem einen kulturgeschichtlichen Wandel ein, der Europa für Jahrhunderte bestimmen sollte. Diese Entwicklung wird Konstantinische Wende genannt und meint damit die Duldung des Christentums. Diese war bis dahin eine verbotene Sekte gewesen und noch unter Kaiser Diokletian geschahen reichsweite, blutige Verfolgungen.
In der Folge wuchs die junge Kirche immer stärker, verzahnte sich zunehmend mit der Politik und errang bis zum Ende des vierten Jahrhunderts nicht nur rechtliche Privilegien, sondern sogar den Status einer Art Staatsreligion und Reichskirche. Nicht nur Konstantins privates Verhältnis zum Christentum wird bis heute diskutiert, auch viele andere Einzelheiten seines Lebens sind nach wie vor umstritten. Beispielsweise soll er im Jahr 326 seinen ältesten, aber vielleicht auch illegitimen Sohn Crispus ermordet haben lassen.
Kurz darauf starb auch Konstantins Frau Fausta. Da diese Verwandtenmorde vom Hof verschleiert wurden, sind die genauen Vorgänge und Gründe bis heute nicht wirklich bekannt.
Die Konstantinische Kaiserdynastie regierte bis 363 relativ unangefochten über das wiedervereinte Gesamtreich. Die Tetrarchie war vorüber, nicht jedoch das Mehrkaisertum – oft wurden Kaisersöhne zu Mitregenten ernannt. In die Herrschaftszeit fällt jedoch auch ein tiefgreifender Wandel. Das wachsende Christentum machte kirchenpolitische Probleme immer häufiger zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen.
Obwohl dem Reich unter den Nachfolgern Konstantins eine letzte, kulturelle Blüte geschenkt wurde, war es dennoch eine Zeit des Krieges – am Rhein und an der Donau gegen die Germanenstämme, im Osten gegen das persische Sassanidenreich. Gerade der letzte Nachkomme dieser Dynastie, Kaiser Julian (reg. 360-363) verdient besondere Beachtung. In der kurzen Zeit seiner Alleinherrschaft versuchte er vergeblich, die Konstantinische Wende rückgängig zu machen. Er förderte die alten Götter und Kulte und wollte sogar eine Art heidnische Reichskirche als Gegenentwurf zum Christentum etablieren. Da er im Zuge eines ehrgeizigen Feldzuges gegen die Perser umkam, blieb diese letzte, staatlich geförderte Abkehr vom Christentum nur eine Episode.

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Die Valentinianisch-Theodosianische Dynastie und die „Germanisierung“ des Reiches
Nach dem Ende der Konstantinischen Dynastie begründete Kaiser Valentinian I. im Jahr 364 eine neue Herrscherfamilie, die bereits 379 von Kaiser Theodosius I. beerbt wurde. Durch enge verwandtschaftliche Verhältnisse und Eheschließungen kann man zusammengefasst von einer valentinianisch-theodosianischen Dynastie sprechen, die das Römische Reich von 364 bis 457 beherrschte. Der Namensgeber der ersten Dynastie, Valentinian I. (reg. 364-375), sicherte die umkämpften Außengrenzen am Rhein und der Donau. Zudem führte er die Aufteilung der Herrschaft im Reich in zwei Hälften ein – zwei Kaiser, zwei Höfe und zwei Verwaltungsapparate.
Diese Entscheidung sollte schon bald weitreichende Folgen haben. Der Namensgeber der zweiten Dynastie, Theodosius „der Große“ (reg. 379-394) erhielt seinen Beinamen vor allem aufgrund dreier richtungsweisender Maßnahmen. Im Jahr 382 ließ er zum ersten Mal einen germanischen Stammesverband, die Goten, als sogenannte Föderaten auf dem Boden des Reiches siedeln. Dies war nur ein Zeichen für die fortschreitende „Germanisierung“. Immer mehr „Barbaren“ drängte über den Rhein und die Donau. Dies geschah nicht nur durch Überfälle und Kriege. Germanen vermischten sich zunehmend mit den Provinzialbevölkerungen der Grenzgebiete. Immer mehr Stämme und Volksgruppen wurden als Söldner oder Soldaten in Reichsdiensten gebraucht.
Mit der Zeit stiegen einzelne römische Heerführer germanischer Herkunft immer weiter in den altrömischen Rängen auf und wurden ab und zu auch Teil der Oberschicht und des Kaiserhofes. Zudem privilegierte Theodosius das Christentum und erhob es gesetzlich sogar zu einer Staatsreligion, während er das althergebrachte Heidentum zunehmend benachteiligte und verbat. In den letzten Monaten vor seinem Tod war Theodosius sogar der letzte Alleinherrscher des römischen Gesamtreiches.
Nach seinem Tod vererbte er jedoch seinen beiden Söhnen je eine Reichshälfte – Arcadius wurde der erste Kaiser Westroms, Honorius der erste Kaiser Ostroms. Im damaligen Verständnis bedeutete die Reichsteilung von 395 jedoch nicht eine Aufspaltung des Imperiums, sondern lediglich eine Teilung der Herrschaft im weiterhin vereinten und unteilbaren Reich. Trotzdem entwickelten sich die beiden Teile in den folgenden Jahrzehnten immer weiter auseinander.
Wirtschaftlich und militärisch wuchsen die Probleme immer weiter an. Bereits im Jahr 375 tauchte nämlich eine weitere Entwicklung am Horizont auf, die dem immer stärker wankenden Reich zwar nicht den direkten Todesstoß geben sollte, es im Westen aber unweigerlich in die letzten Jahre seiner Existenz überführte. Die Zeit der Völkerwanderung und der Hunnenstürme war gekommen und der Totentanz des Weströmischen Reiches begann.
Die letzten Jahre Westroms: Völkerwanderung und Hunnenstürme
Die traditionelle Geschichtsschreibung setzte an den Anfang der Völkerwanderung gerne ein Ereignis: die Schlacht von Adrianopel 378. Die Hunnen waren über die Ebenen Zentralasiens nach Europa vorgedrungen. Vor sich trieben sie kleinere Stämme her, die lieber ihr Heil in der Flucht suchten – wie die Goten. Sie suchten neuen Siedlungsraum und das Römische Reich wies ihnen Reichsgebiete zu. Durch die unfreundliche Behandlung kam es allerdings innerhalb weniger Jahre zur Rebellion der neuen „Föderaten“ und bei der Stadt Adrianopel (heute Edirne in der nordwestlichsten Ecke der Türkei) kam es zur Entscheidungsschlacht zwischen Kaiser Valens und dem Befehlshaber Fritigern.
Die Goten siegten, der Kaiser kam sogar um. Valens Nachfolger im Osten, Kaiser Theodosius der Große, wies den Siegern darum Gebiete in Thrakien zu, in denen sie zwar formal zum Reich gehörten, ansonsten aber relativ autonom lebten. Ob es historisch richtig ist oder nicht: Die Nachwelt sah mit dieser Schlacht alle Dämme gebrochen. Immer mehr Germanen drangen auf die Territorien Roms vor und die spätantike Völkerwanderungszeit begann. Dies bestimmte dann auch die Politik sowohl des Oströmischen als auch des Weströmischen Reiches in den folgenden Jahrzehnten.
Die Mitte des fünften Jahrhunderts wurde fast vollständig vom Ringen des römischen Heermeisters Aetius mit Attila, dem „Hunnenkönig“, dominiert. Der Kriegerverband der Hunnen hatte sich einen Machtbereich im heutigen Ungarn aufgebaut. Er überfiel das Reich regelmäßig und forderte hohe Tributzahlungen von beiden Kaisern. Der Feldzug Attilas nach Gallien (das heutige Frankreich) endete mit der berühmten Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im Jahr 451, wo der weströmische Heermeister Aetius die Hunnen zurückschlagen konnte.
Nur zwei Jahre später wurde Attila dann in seiner Hochzeitsnacht ermordet, sein Vielvölkerreich zerfiel schnell. Aber auch der mächtige und siegreiche Aetius, stellenweise als eigentlicher Herrscher im Westen angesehen, fand bald den Tod. Der machtlose Kaiser Valentinian III. soll ihn 454 eigenhändig mit seinem Schwert erschlagen haben. Und nur ein Jahr später kam auch Valentinian gewaltsam um. Damit endete die valentinianisch-theodosianische Dynastie auch im Westen und ein weiterer Bürgerkrieg begann. Das Weströmische Reich hatte nun seinen letzten Rest an Stabilität eingebüßt.
Bereits seit Jahrzehnten schritt die Germanisierung des Reiches voran. Germanische Siedler bevölkerten die römischen Provinzen, germanische Heerführer arbeiteten sich die Karriereleiter hoch und beeinflussten schließlich auch den Kaiserhof. Gleichzeitig kam es aber auch immer wieder zu Kriegen und Überfällen germanischer Stämme. Gallien, Spanien und Nordafrika wurden erobert und besetzt und die heilige Stadt Rom wurde 410 von den Westgoten und 455 von den Vandalen geplündert.
In dem Chaos und Machtvakuum konnte sich mit Ricimer ein letzter mächtiger – und natürlich germanischer – Heerführer hervortun, der bis zu seinem Tod 472 tonangebend bleiben sollte. Neben ihm gab es natürlich auch Kaiser wie Majorian oder Anthemius, mit denen es zunehmend zu Konflikten kam. Gleichzeitig wurde Ricimers Machtstellung außerhalb Italiens nicht als legitim angesehen. Das Reich versank im Chaos, das Ansehen des Kaisertums erodierte völlig und es begann ein unaufhaltsamer Prozess, den man als Desintegration des Weströmischen Reiches bezeichnen kann. Bereits vor seinem offiziellen Ende im Jahr 476 war der Westen also bereits in mehrerlei Hinsicht sprichwörtlich am Ende.
Die römische Zentralgewalt war zunehmend im Auflösen begriffen. Auf dem Reichsgebiet setzten sich immer germanische Volksstämme fest und gründeten eigene Reiche – die Ostgoten in Pannonien, die Westgoten in Spanien, die Burgunder in Südfrankreich, die Vandalen in Nordafrika. Im Nordwesten eroberten die Pikten, Angeln, Sachsen und Jüten Britannien. Und im Herzen Europas entstand mit dem Reich der Franken ein germanisches Nachfolgereich, das von Dauer sein und zugleich das Weströmische Reich zumindest symbolisch beerben sollte. Wenn sich Karl der Große über 400 Jahre später in Rom zum Kaiser wählen ließ, so geschah dies nicht zuletzt als deutliche Anlehnung an das antike Römische Reich und damit dessen Herrschaftsanspruch und Pracht. Im Jahr 476 endete das Weströmische Reich somit offiziell. Der letzte Kaiser, Romulus Augustulus, kaum mehr als ein machtloses Kind, wurde in die Verbannung geschickt und ein weiterer übermächtiger Heerführer namens Odoaker übernahm die Scherben.
Im Osten bestand jedoch das Oströmische beziehungsweise Byzantinische Reich bis 1453 weiter und auch im Westen bildeten sich germanische Nachfolgereiche, die an römische Strukturen anschlossen. Er sollte Odoaker niederringen, der sich zunehmend selbstbewusst und rebellisch gegenüber seinem offiziellen Herrn, dem Kaiser, verhielt. Nach seinem Sieg und dem Tod Odoakers herrschte Theoderich dann bis zu seinem Tod 526. Er sah sich selbst dabei als Herrscher von Westrom und bemühte sich um eine oströmisch-kaiserliche Anerkennung seiner Stellung.
Da sich seine Nachkommen verstritten, sah der damalige oströmische Kaiser Justinian nun eine Chance auf tatsächliche Rückeroberung gekommen. Während im Osten die eigentlichen Hauptkonkurrenten, die persischen Sassaniden, unter großen Anstrengungen abgewehrt werden konnten, eroberten im Westen seine Generäle nach und nach große Teile der alten, weströmischen Provinzen in Nordafrika, Italien und Südspanien. Justinian war der letzte römische Kaiser, dessen Muttersprache Latein war – nach ihm folgten zumeist Griechischsprachige.
Er befahl den Bau der Hagia Sophia in Konstantinopel, damals die größte Kathedrale der Welt. Zugleich ließ er die Platonische Akademie in Athen schließen und beendete damit die antike Philosophie. Nach seinem Tod 565 waren die zurückeroberten Gebiete allerdings auf Dauer nicht zu halten. Der germanische Stamm der Langobarden eroberte in den Jahren 568 und 569 weite Teile der italienischen Halbinsel und begründete das frühmittelalterliche Langobardenreich mit der Hauptstadt Pavia (bei Mailand). Die Zeit der Spätantike und der Völkerwanderung war damit vorüber.
Das Königreich wurde 774 von Karl dem Großen erobert und in sein Frankenreich eingegliedert. Gleichzeitig gab es noch mehrere italienische Territorien, die zum Oströmischen beziehungsweise Byzantinischen Reich gehörten, wie beispielsweise die Gegenden um Venedig und Ravenna. Im frühen Mittelalter bildeten sich jedoch auch schon die kleinen Fürsten- und Herzogtümer, Kleinstaaten und Stadtstaaten heraus, die in der Folge für Jahrhunderte die italienische Geschichte bestimmen sollten – zum Beispiel am 570 die süditalienischen Herzogtümer Spoleto und Benevent.

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Das römische Erbe
Die mittelalterliche Welt Italiens und Europas ist ohne das noch immer existente und bewusste Erbe der Römer jedoch kaum vorstellbar. Sie prägten die Sprache, das Rechtssystem, die Zeitrechnung, um nur ein paar Aspekte zu nennen, die für uns heute so alltäglich anmuten, aber einst von den antiken Römern eingeführt wurden. Das Wissen und die Erkenntnisse der Römer beeinflussten die mittelalterlichen Gelehrten, vor allem aber auch die Humanisten der Renaissance und nicht zuletzt prägen sie uns noch heute.
Naturwissenschaften und Medizin, aber auch Philosophie und Literatur standen auch noch 1000 Jahre später hoch im Kurs. Zudem bediente sich die Renaissance im großen Stil an der Kunst und Ästhetik der Antike. Auch das römische Straßennetz wurde im Mittelalter zunächst weitergenutzt und ermöglichte nach wie vor Fernreisen und Truppenverschiebungen. Die zahllosen römischen Ruinen und auch die Idee eines Kaiserreiches beeindruckte zahlreiche Herrscher Europas.
Sie wollten diesem Ideal nacheifern und so ließ sich beispielsweise auch der Frankenkönig Karl der Große 800 in Rom zum Kaiser krönen. Dabei sah er sich in direkter Nachfolge zu seinen antiken Vorgängern. Natürlich war das noch intakte römische Reich im vierten Jahrhundert auch maßgeblich an der Verbreitung der neuen Religion des Christentums beteiligt. Aus der Sprache Roms, dem Lateinischen, gingen zudem die noch heute gesprochenen, romanischen Sprachen Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch und Rumänisch hervor. Kein anderes Reich in der Geschichte der Menschheit beeinflusste die Kultur Europas mehr als das Römische Reich.
Mehr dazu jeden Monat auf unserer Videoplattform – Christian Schaller führt uns durch die Geschichte der Antike!
Verwendete Literatur
- Bringmann, Klaus: Römische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Spätantike. München 2019.
- Demandt, Alexander: Zeitenwende. Aufsätze zur Spätantike. Berlin 2013.
- Gehrke, Hans-Joachim / Schneider, Helmuth (Hg.): Geschichte der Antike. Ein Studienbuch. Stuttgart 2013.
- Kaiser, Reinhold: Die Mittelmeerwelt und Europa in Spätantike und Frühmittelalter. Frankfurt am Main 2014.
- König, Ingemar: Spätantike. Darmstadt 2007.
- Pohanka, Reinhard, Die Römer. Kultur und Geschichte. Wiesbaden 2012.
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