Ruth Zechlin
von Ute-Gabriela Schneppat
Ruth Zechlin
(* 22. Juni 1926 in Großhartmannsdorf; † 2. August 2007 in München)
Ruth Zechlin gilt als eine der führenden zeitgenössischen Komponistinnen und Musikerinnen in Deutschland. Und doch ist sie heute nur wenigen Insidern bekannt.
Leben
Dass Ruth Zechlin musikalisches Talent besaß, zeigte sich schon in ihrer Kindheit. Beriets mit fünf Jahren erhielt sie den ersten Klavierunterricht. Ihr erstes Stück entstand bereits mit sieben Jahren: eine Sonatine für Klavier. Als älteste Tochter zweier Pädagogen wuchs sie in Leipzig auf.
Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zur Musik von Johann Sebastian Bach und zur Orgel. Über ihre Jugend in Leipzig erzählte sie folgendes:
„Besonders wichtig für mich in dieser Zeit war die Thomaskirche zu Leipzig. Ich besuchte regelmäßig die Bachaufführungen. Diese Erlebnisse wurden bestimmend für meine weitere Entwicklung. Was ich an Musik am Anfang mehr gefühlsmäßig aufnahm, ging allmählich ins Bewusstsein über. Ich begann, analytisch zu hören und die stilistische Mannigfaltigkeit der Orgelwerke, Motetten, Kantaten und Oratorien Bachs zu unterscheiden.“ [1]
Studium während des zweiten Weltkrieges
Ihr Musikstudium begann sie 1943 an der Leipziger Musikhochschule in Tonsatz, Chordirigieren, Klavier und Orgel. Doch das Studium war geprägt und unterbrochen vom zweiten Weltkrieg. 1943 zerstörte ein Bombenangriff die Musikhochschule Leipzig. Daraufhin wurden die Studierenden nach Crimmitzschau in Südsachsen evakuiert. Der Unterricht ging dort zunächst eingeschränkt weiter. Nach der Schließung der Hochschule wurden die verbliebenen Studenten und Studentinnen in den Junkers-Flugzeugwerken als Arbeitskräfte eingesetzt.
Nach Kriegsende konnte Ruth Zechlin nach Leipzig zurückkehren und wirkte als stellvertretende Organistin unter Kantor Johannes Piersig an der Nikolaikirche. Sie nahm auch ihr Studium in Orgel, liturgisches Orgelspiel, Improvisation und Tonsatz wieder auf und schloss es 1949 mit dem Staatsexamen ab. Ein Jahr lang unterrichtete sie Gehörbildung und Klaviermethodik.
Die Jahre in der DDR und nach der Wende
1950 folgte der Umzug nach Berlin, um an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ u. a. Komposition, Tonsatz, Gehörbildung und Formenlehre zu unterrichten.
In der Nachkriegszeit musste sich Zechlin neue musikalischen Entwicklungen erst erarbeiten. Sie hatte ein großes Nachholbedürfnis an zeitgenössischer Musik und Kompositionstechniken, zu der sie durch die nationalsozialistische Kulturpolitik keinen Zugang hatte.
Doch auch in der DDR hatte die zeitgenössische Musik einen schweren Stand: Viele der Werke, die im Nationalsozialismus als „entartet“ galten, landeten in der DDR nun als „bürgerlich-dekadent“ wieder auf dem Index. Neue Kompositionstechniken wie die serielle Kompositionsweise lernte sie dadurch erst viel später – auch durch geschmuggelte Lehrbücher – kennen. Sie arbeitete mit Rudolf Wagner-Régeny und Hanns Eisler zusammen und stand im engen Kontakt mit den Komponisten Hans Werner Henze und Witold Lutoslawksi.
Als international bekannte Cembalistin spielte Ruth Zechlin auf vielen Konzertreisen in ganz Europa. Ihre Berufung als Professorin für Komposition erfolgte 1969. Zudem leitete sie eine Meisterklasse in Komposition an der Akademie der Künste der DDR.
Von ihrem Mann, den sie 1952 geheiratete hatte, ließ sich Ruth Zechlin 1971 scheiden. Der finale Auslöser war dessen Eintritt in die SED. Trotz dieser offensichtlichen „Nicht-Linientreue“ (sie war seit 1950 Mitglied der NDPD und wechselte in den 80er Jahren zur CDU) erfuhr sie in der DDR höchste Auszeichnungen und Anerkennungen. Sie wurde u. a. mit dem Nationalpreis der DDR im Jahr 1982 ausgezeichnet.
Nach ihrer Emeritierung 1986 lehrte sie als Gastprofessorin. Sie beteiligte sich am 28. Oktober 1989 am Konzert Gegen den Schlaf der Vernunft in Berlin. 1990 war sie kurzzeitig Rektorin der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. Im selben Jahr wurde sie Mitglied der Akademie der Künste Berlin, deren Vizepräsidentin sie bis 1993 war. Später zog Ruth Zechlin nach Bayern und wohnte dort bis zu ihrem Tod im Jahr 2007.
Ruth Zechlin wurde vielfach geehrt. Zu ihren vielen Auszeichnungen gehören auch der Heidelberger Künstlerinnenpreis 1996 und das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der BRD 1997. Seit 1993 war sie zudem Mitglied der Sektion Musik der Akademie der Künste Berlin sowie seit 1997 Mitglied der Akademie der Künste Mannheim. 1998 wurde sie zum Ehrenmitglied des Deutschen Musikrates ernannt.
Werke
Ruth Zechlin hinterlässt ein umfangreiches Werk mit über 260 Kompositionen. Darunter finden sich viele Kammermusikwerke, zwei Opern und zwei Kammeropern, Filmmusik, Musik fürs Fernsehen und Orchesterwerke. Sie schrieb aber auch viele Stücke für Cembalo, Klavier und Orgel sowie Chorwerke und Werke für Sologesang, die häufig einen geistlichen Bezug haben. Ihr Nachlass befindet sich im Besitz der Staatsbibliothek Berlin.
Stil
„Bach ist und bleibt mein Zentrum. Die Tiefe, die Klarheit, die Wärme, die Unsentimentalität, die Größe seiner Musik sind für mich entscheidend und unerreichbar. Nur seine Musik kann ich in jeder Lebenssituation hören.“ [2]
Der Einfluss von Bach zeigt sich in Ruth Zechlins linear-kontrapunktischer Schreibweise. Auch in ihren Werken zitiert sie Bachs Musik.
Sie schuf sich ihre eigene, polyphone Musiksprache. Neben Bach beeinflussten auch Kompositionen von Zeitgenossen ihren Stil. Darüber hinaus dienten auch andere Künste wie die bildende Kunst und Literatur als Inspirationen für ihre Werke.
Quellen
1 … (Ruth Zechlin, zit. n. Mainka (Hg.) 1986, S. 8-9) Quelle: https://mugi.hfmt-hamburg.de
2 … (Ruth Zechlin, zit. n. Hermann Schmidt. „‚Ich mag alles, was kühn ist’. Gespräch mit Ruth Zechlin“. In: Ruth Zechlin. Alexander L. Suder (Hg.). Tutzing: Hans Schneider 2001. S. 33) Quelle: https://mugi.hfmt-hamburg.de
https://mugi.hfmt-hamburg.de: Musik und Gender im Internet
Wikipedia
Booklet CD La Flûte Femme / Flöte an Tasten