Die meisten Menschen, die im alpenländischen Raum leben, kennen die beiden schaurigen Kreaturen, von denen hier die Rede ist. Krampusse und Perchten sind vielen irgendwie vertraut: aus der Kindheit als Begleiter des heiligen Nikolaus, von Krampus- und Perchtenläufen und neuerdings auch aus Hollywood. Trotz dieser Bekanntheit ist vielen nicht bewusst, dass es sich bei diesen beiden Figuren der austro-bavarischen Weihnachts- und Wintertradition um zwei verschiedene Kreaturen handelt.
Der Krampus hat seinen Ursprung in der Barockzeit im 17. und 18. Jahrhundert, wo er erstmals als Begleiter des heiligen Nikolaus auftritt. Diese Epoche steht mit starker Volksfrömmigkeit in Verbindung, was die Erscheinung des Krampus zu einer für diese Zeit typischen Ausschmückung schon vorhandenen Brauchtums macht. Sein Name lässt sich vom Dialektwort »Krampe« (= »Kralle«) ableiten, wobei dieses Körperteil eines Tieres stellvertretend für die gesamte äußere Erscheinung des Krampus steht. Dazu gehören traditionellerweise ein mit Fell bekleideter Körper, eine hölzerne oder aus Filz gefertigte Maske mit zwei Tierhörnern, eine lange rote Zunge, ein Schwanz und manchmal ein Tierfuß oder eine Tierpfote – die besagte »Krampe«. Außerdem trägt der Krampus meist auch eine »Buckelkraxn« (einen Rückenkorb) bei sich sowie eine Rute aus Wacholder- oder Birkenreisig und allerlei Ketten und Kuhglocken, um mit lautem Lärmen schon von Weitem auf sich aufmerksam zu machen.
In dieser Aufmachung steht der Krampus sinnbildlich für das Böse und den Teufel, wobei er als dessen gezähmte Form auftritt und daher keinesfalls teufelsgleich die Menschen zum Bösen verführen möchte, sondern im Gegenteil durch Bestrafung zur Besserung der Menschen beitragen soll. Zu diesem Zweck führt der Krampus auch seine Rute mit, deren Schläge man vielerorts noch heute bei Krampusläufen zu spüren bekommen kann.
Gegenwärtig sind von Bayern über Österreich bis Südtirol und Friaul diese vorweihnachtlichen Spektakel hoch im Kurs und lassen alte Traditionen und kulturelle Bräuche aufleben. Dass der Krampusbrauch jedoch nicht frei von Kritik ist, zeigt sich immer wieder, wenn es zu Ausschreitungen bei besagten Läufen kommt und die meist männlichen Krampusdarsteller, die unter den Kostümen stecken, sich nicht dem Krampuskodex gemäß verhalten. Dieser besagt, dass Schläge nur unterhalb der Knie erlaubt sind und diese auch nicht zu fest sein dürfen, wobei Letzteres bedauerlicherweise eine sehr dehnbare Formulierung ist.
Einem völlig anderen Hintergrund hingegen entspringt die ebenfalls immer noch gepflegte Tradition der Perchtenläufe, welche mit den christlichen Weihnachtsbräuchen eigentlich nichts zu tun haben. Die Figur der Percht geht auf viel ältere heidnische Bräuche zurück und ist vor allem in den Regionen nördlich der Alpen sowie in Südtirol und der Oberpfalz anzutreffen. Perchten treten im Jahr außerdem deutlich später als der Krampus auf, ihre Hochzeit haben sie um den Jahreswechsel herum in den Rauhnächten zwischen dem 21. Dezember und dem 6. Januar.

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Das erste Weihnachtsbuch aus dem Leiermann-Verlag
Autorinnen und Autoren der Kulturplattform »Der Leiermann« betrachten die Weihnachtszeit aus kulturhistorischer Sicht.
Ihre Namensgeberin und Anführerin »Frau Percht« (auch »Bercht«, »Berchta« oder »Perchta«) ist in diesen Tagen mit ihren schaurigen Gehilfen unterwegs, um ihrer janusköpfigen Natur folgend entweder Seelen zu holen oder Fruchtbarkeit für das kommende Jahr zu schenken. Der Ursprung dieser weiblichen Sagengestalt ist umstritten, manche deuten sie beispielsweise als Personifikation der nordischen Göttin Frigg (Gattin des Odin und Patronin der Ehe) oder der germanischen Göttin Freya (Göttin der Fruchtbarkeit). Wie auch Frau Percht zwei gegensätzliche Seiten in sich trägt, so sind ebenfalls ihre Begleiter nicht »einseitig«. Unter den Perchten finden sich einerseits sogenannte Schönperchten, die für das neue Leben, Licht und Ordnung stehen. Ihnen entgegen stehen die Schiachperchen (»schiach« bedeutet »hässlich«), die Dunkelheit und Tod symbolisieren, wobei ihre Aufgabe aber auch darin besteht, die Menschen zum Guten zu bekehren und auf die Seite der Schönperchten zu treiben.
Auch äußerlich lassen sich trotz einiger Ähnlichkeiten doch eindeutige Unterschiede zwischen Perchten und Krampussen erkennen. So sind Perchten Naturmotiven und Tieren nachempfunden und dürfen mehr als ein Hörnerpaar tragen. Auch sie tragen Ruten und Glocken bei sich, wobei Erstere jedoch aus Rosshaar bestehen und wie die lärmenden Glocken vor allem dem Winter- und Geisteraustreiben und nicht der Bestrafung dienen.
Der Brauch der Krampus- und Perchtenläufe gehört in den alpenländischen Regionen zur Weihnachts- und Winterzeit wie Glühwein und Kekse. Für manche sind sie zu bewahrende Tradition, für andere schwarze Pädagogik. Wie man moderne Auslegungen auch betrachten mag, so kann die Faszination doch nicht geleugnet werden, welche die kulturhistorische Erkundung der Geschichte dieser Kreaturen weckt: ein wohliger Schauer zur besinnlichsten Zeit des Jahres.