Weißwurst-frühstück
von Christian Schaller
Weiß-wurst Früh-stück
von Christian Schaller
Altbayern – München – Weißwurstfrühstück mit Brezen und Weißbier
Altbayern ruft sofort Bilder vor unserem inneren Auge hervor: Berge und Seen, Kuhweiden und Biergärten. Das bayerische Herzland ist der Inbegriff eines Idylls, hier gibt es Natur und Kultur im Überfluss. Was aber ist Altbayern? Genau genommen nur ein Teil des Ganzen. In der bewegten Geschichte des Landes änderten sich dessen Territorien und Grenzen sehr oft. »Altbayern« bezeichnet dabei die historischen Kerngebiete zwischen Alpen und Donau, ohne die späteren Erweiterungen Bayerisch-Schwaben im Westen und Franken im Norden. Das »Y« in Bayern ist übrigens noch gar nicht so alt. Bis 1825 schrieb man das südlichste deutsche Bundesland noch mit »i«, also Baiern. Der damalige König Ludwig I. aus dem Haus Wittelsbach war jedoch ein riesiger Fan der griechischen Kultur, weshalb er die Schreibweise seines Reiches mit dem »griechischen« Ypsilon anordnete.
Früher oder später führt jeder Weg in Altbayern dann in dessen Hauptstadt, die berühmte »Weltstadt mit Herz«: München ist nicht nur die Hauptstadt Bayerns, sondern gleichzeitig mit über 1,5 Millionen Einwohnern eine der größten Metropolen des deutschsprachigen Raumes. Die Stadt an der Isar ist heute ein Zentrum der Kultur und Politik, aber auch der Wirtschaft, Wissenschaften und Medien. Erstmalig erwähnt wird München im Jahr 1158 als »forum apud Munichen«, also als Marktplatz bei den Mönchen. Der Aufstieg folgte dann rasant: Bereits 1255 war die Siedlung Herzogssitz in Bayern, ab 1314 eine königliche und von 1328 bis 1347 unter Ludwig IV. dem Bayern sogar kaiserliche Residenzstadt. Das frühmittelalterliche Stammesherzogtum Baiern hatte sich im späten Mittelalter unter verschiedenen Herrschern und Linien der Wittelsbacher zunächst in vier große Teilherzogtümer aufgeteilt. So gab es nach 1392 vier bayerische Herzöge, die jeweils von ihren Residenzstädten Ingolstadt, Straubing, Landshut und München aus über ihre Territorien herrschten. Erst 1506 vereinigten sie sich – mit München als verbleibender Hauptstadt.
In den Napoleonischen Kriegen schaffte es das ehrgeizige Bayern dann endlich, eine Krone zu ergattern. Das Herzogtum wurde ab 1806 ein Königreich, und die Wittelsbacher gaben sich Mühe, München im 19. Jahrhundert nicht nur zu einer deutschen Großstadt auszubauen, sondern es gleich zu einer internationalen Kunststadt zu machen. Diesen Rang konnte das »Athen an der Isar« bis in die Gegenwart halten.
Aber wer jetzt denkt, hier nur auf hektisches Großstadtleben zu treffen, wird schnell eines Besseren belehrt. Gerade in der Hauptstadt Bayerns hat sich die landestypische Gemütlichkeit und Gastfreundlichkeit erhalten können – die zahlreichen Biergärten und Wirtschaften in und um die Stadt belegen das jederzeit gern. Welchen besseren Ort könnte es also geben, um mit einem traditionellen bayerischen Weißwurstfrühstück in den Tag zu starten?
Noch einiges zur Entstehung der typischen Münchner Weißwurst: Sie wird frühmorgens hergestellt und sollte noch vor dem Mittagsläuten verzehrt werden. Die Erfindung im 19. Jahrhundert soll sogar auf einen Fehlversuch zurückgehen. Im Gasthaus Zum Ewigen Licht am Marienplatz gingen 1857 die Schafsdärme aus, die für Bratwürste notwendig waren. Ein Lehrling konnte auf die Schnelle nur Schweinedärme besorgen, die jedoch nicht hitzebeständig waren. Der Wirt legte sie also nur in heißes Wasser und brühte sie. Die Weißwurst war erfunden und trat schnell ihren Siegeszug an. Bald war sie eine beliebte Speise bei verschiedensten Feiern, bis hin zum Oktoberfest.
Obwohl die Weißwurst eine Münchner Erfindung ist, gehört ihr mittlerweile ein ganzes Königreich. Die Außengrenze nach Norden hin bildet dabei der »Weißwurst-Äquator«, also die mittlere Donau, etwa von Ulm bis Passau. Es gibt aber auch andere Definitionen: Ab und zu wird auch der Main als Grenze beschrieben. Und manchmal zieht man nur einen Kreis mit einem Radius von 100 Kilometern um München, womit immerhin noch große Teile Südbayerns umrissen werden.
Doch nicht nur das Gebiet wird diskutiert, auch die richtige Art, die Weißwurst zu essen, ist Gegenstand hitziger und unlösbarer Diskussionen. Da wäre zum einen das »Zuzeln« – die genüssliche, aber eben auch unappetitlichste Art. Hierbei wird die Wurst quasi mit dem Mund ausgesaugt. Daneben gibt es auch die Möglichkeit, die Wurst mit schrägen Schnitten zu zerteilen und dann jeden einzelnen Bissen aus der Haut zu drücken. Der Darm bleibt dann als Rautenmuster übrig und entspricht damit dem bayerischen Wappen. Am gängigsten ist aber wohl der einfache Längsschnitt.
Rezept für ein traditionelles bayerisches Weißwurstfrühstück für vier Personen:
Zutaten:
8 Paar Münchner Weißwürste (bestenfalls frisch vom Metzger)
8 Brezen (bestenfalls ofenfrisch)
1 Glas süßer bayerischer Senf
4 Flaschen Weißbier
Die Weißwürste in einem großen Topf mit kaltem Wasser langsam erwärmen. Topf kurz vor dem Kochen vom Herd nehmen.
Der Topf wird mit den Würsten auf den Tisch gestellt. Die Weißwürste dürfen nicht aufplatzen und sollten warm gegessen werden. Die Haut ist nicht essbar und muss entfernt werden. Manche entfernen die Haut nicht, sondern »zuzeln« (»saugen«) die Wurst einfach aus.
Kulturgeschichten der Süddeutschen Küche – das neue Buch des Historikers und Autors Christian Schaller entführt sie in die kulinatische Welt Süddeutschlands.
Verwendete Literatur
Kochbücher und Fachbücher über Esskultur und Kulinarik:
- Adalbert-Raps-Stiftung (Hg.): Die junge bayerische Küche. Von Tradition und neuen Einflüssen. Odenthal 2021.
- Albala, Ken: Food in early modern Europe. Westport 2003.
- Ars Vivendi (Hg.): Gesse wird deheim: Das Kochbuch badischer Landfrauen. Spangenberg 2013.
- Berschti, Hannes, Reckewitz, Marcus: Von Absinth bis Zabaione. Berlin 2002
- Etzelsdorfer, Hannes (Hg.): Küchenkunst und Tafelkultur. Culinaria von der Antike bis zur Gegenwart. Wien 2006.
- Hirschfelder, Gunther: Europäische Esskultur. Eine Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis heute. Frankfurt 2001.
- Mangold, Matthias: Die Schwäbische Küche – Regionale Spezialitäten. Stuttgart 2011.
- Neumüller, Franziska: Bayerische Schmankerl – 303 Rezepte von klassischen Schmankerln bis zur neuen bayerischen Küche inkl. regionaler Spezialitäten!. Wien 2021.
- Ott, Christine: Identität geht durch den Magen. Mythen der Esskultur. Frankfurt 2017.
- Peter, Peter: Kulturgeschichte der deutschen Küche. München 2008.
- Peter, Peter: Kulturgeschichte der österreichischen Küche. München 2013.
- Prato, Katharina: Die Süddeutsche Küche. Innsbruck 1897.
Historische Fachliteratur:
- Begleitband zur Ausstellung des Landes Baden-Württemberg im Kunstgebäude Stuttgart, 1. Oktober 2005 bis 8. Januar 2006 ; [Große Landesausstellung Baden-Württemberg 2005 …]. Esslingen am Neckar 2005.
- Czysz, Wolfgang / Dietz, Karlheinz / Fischer, Thomas: Die Römer in Bayern. Hamburg 2005.
- Diefenbacher, Michael: Nürnberg: Kleine Stadtgeschichte. Regensburg 2017.
- Dotterweich, Volker (Hg.): Geschichte der Stadt Kempten. Kempten 1989.
- Freier, Peter / Ute, Freier: Baden-Württemberg: 60 Ausflüge in die Geschichte. Stuttgart 2013.
- Freitag, Matthias: Kleine Regensburger Stadtgeschichte. Regensburg 2007.
- Gottlieb, Gunther (Hg.): Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart 1984.
- Heydenreuter, Reinhard: Kleine Münchner Stadtgeschichte. Regensburg 2007.
- Hubenstetter, Benno: Bayerische Geschichte. Staat und Volk, Kunst und Kultur. Rosenheim 2013.
- Kirn, Daniel: Stuttgart. Eine kleine Stadtgeschichte. Erfurt 2007.
- Kunth Verlag (Hg.): Das Bayern Buch: Highlights eines faszinierenden Landes. München 2016.
- Patzer, Georg: Kleine Geschichte der Stadt Karlsruhe. Karlsruhe 2014.
- Schmidt, Richard: Deutsche Reichsstädte. München 1957.
- Susanne, Schmid (Hg.): Imperium Romanum – Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau
- Weber, Reinhold / Wehling, Hans-Georg (Hg.): Geschichte Baden-Württembergs. München 2007.
- Zang, Gert: Kleine Geschichte der Stadt Konstanz. Karlsruhe 2010
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